Feinsinnige Feuilletons

Kurt Tucholsky nannte ihn „den feinen Dichter aus dem baltischen Lande“, für Harry Graf Kessler war er „höchst weltmännisch und geistvoll“, in der Endphase der Kaiserzeit zählte man ihn zu den großen Erzählern der Jahrhundertwende – aber heutzutage ist Eduard von Keyserling fast völlig in Vergessenheit geraten. Zu Unrecht, wie ein Buch aus dem Manesse Verlag beweist.

Der Spross eines alten baltischen Geschlechts hatte sich in München niedergelassen und in der Schwabinger Boheme getummelt. In Bayerns Metropole verfasste er Dramen und Erzählprosa, aber auch Feuilletons und Kritiken. Vielen Kostbarkeiten des Lebens ist der leidenschaftliche Schreiber dabei auf die Spur gekommen, und viele Perlen funkeln einem aus diesem Buch entgegen, das erstmals komplett sämtliche Feuilletons Keyserlings auf einem Blick zusammenfasst.

Da widmet er sich zum Beispiel der „Kunst des Traumes“ und dem „Traum der Kunst“, da sagt er seine Meinung zu (damals) modernen Grabmälern und positioniert sich zur großen Moritz-von-Schwind-Ausstellung in München, aber auch der Münchner Secession. Spannend ist auch seine Meinung zu den Farbsymphonien des jungen Kandinskys oder der „Kalligraphie des Gespenstischen“ Alfred Kubins.

Und schnell fällt einem auf: Seine Rezensionen sind selbst ein Stück Literatur, gehen sie doch auf weit mehr als nur das Ästhetische ein und stoßen vor in seelenkundliche, weltanschauliche und politische Dimensionen. Just deswegen sind sie heute noch höchst lesenswert.

Eduard von Keyserling: „Kostbarkeiten des Lebens“; Gesammelte Feuilletons und Prosa; Manesse Verlag, München 2021; 906 Seiten; 32 Euro

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